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Die Philosophie des Steve Jobs: Der Schnittpunkt von Technologie und Kunst

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In der Berichterstattung über Steve Jobs ist oft die Rede von seinem schwierigen Charakter auf der einen und seinen großen Visionen auf der anderen Seite. Ein Aspekt der Persona Steve Jobs, der dabei allerdings nur wenig Beachtung findet, ist seine Philosophie. In diesem Artikel möchte ich die Jobs’sche Philosophie – wie ich sie sehe – anhand von konkreten Beispielen beleuchten.

Warum schreibe ich diesen Artikel?

Steve Jobs ist für mich nicht weniger als der größte Unternehmer aller Zeiten! Seine iPhone-Präsentation ist für mich die beste Keynote, die je gehalten wurde. Seine Ideen zu Marketing und Values haben auch heute noch Bestand – und meine Auffassung davon, was Marketing ist, nachhaltig verändert. Auch seine weniger bekannten Videos – beispielsweise diese Marktsegmentierung bei neXT – sind faszinierend.

Ich habe unzählige Videos von und über Steve Jobs gesehen und die beiden bekannten Biografien, »Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers« von Walter Isaacson (8 von 10 Sternen) sowie »Becoming Steve Jobs: The Evolution of a Reckless Upstart Into a Visionary Leader« von

Brent Schlender (8 von 10 Sternen) gelesen. Bereits seit der Einführung des iPod nano im Jahr 2005 und der Präsentation der ersten Intel-Macs im Jahr 2006 verfolgte ich jede Keynote.

Kurz gesagt: Steve Jobs gehört zu meinen Helden, und seine Philosophie ist ein wesentlicher Grund hierfür. Schauen wir uns diese also genauer an.

Steve Jobs revolutionierte zwei Industrien: Technologie und Kunst

Steve Jobs ist für zwei Unternehmen bekannt: Apple und Pixar. Diese beiden Unternehmen stehen sinnbildlich für die beiden Eckpfeiler von Steve Jobs’ Philosophie: Technologie und Kunst.

Technologie. Apple, das von Steve Jobs zweimal aufgebaut wurde, ist heute das einflussreichste Technologie-Unternehmen der Welt. Es ist der größte Uhrenhersteller (nach Umsatz), der größte Kopfhörer-Hersteller (nach Umsatz) und der profitabelste Smartphone- und Tablet-Hersteller. Darüberhinaus hat Apple den Desktop Computer erfunden. Man kann also zweifelsfrei feststellen, dass Steve Jobs mit Apple ein führendes Technologie-Unternehmen geschaffen hat.

Kunst. Was viele nicht wissen, ist, dass Steve Jobs auch der wichtigste Investor von Pixar war. Er investierte in den ehemaligen Disney-Animateur John Lasseter und Ed Catmull und baute mit diesen zusammen Pixar auf. Steve Jobs wurde mit dem Börsengang von Pixar zum Milliardär (nicht, wie viele denken, durch den Apple-Börsengang!). In den 90er Jahren revolutionierte Pixar das Trickfilm-Business, räumte Oscars ab und wurde 2006 schließlich mit Disney fusioniert. Steve Jobs wurde dadurch zum größten Einzelaktionär von Disney.

Pixar verfügte Anfang der 80er und 90er Jahre über die beste Rendering-Technologie der Branche. Disney hatte nichts vergleichbares vorzuweisen und befand sich in einer Krise (König der Löwen und Aladdin waren Highlights neben vielen vergessenen Kreationen zwischen 1985 und 2000).

Die Faszination für diese Pixar-Technologie, die es ermöglichen würde, völlig neue Geschichten aus bisher unmöglichen Perspektiven (z.B. Spielzeuge in »Toy Story«, Unterwasserwelt in »Finding Nemo«, Ameisen in »Ants«) zu erzählen, war es, die Steve für Pixar begeisterte. Aber es war nicht nur die Technologie, sondern die Möglichkeit der Kombination von Technologie mit Geschichten. Pixar steht also sinnbildlich für Steve Jobs’ Interesse und Begeisterung für die Kunst.

Fassen wir zusammen: Steve Jobs hat zwei weltbekannte Unternehmen geschaffen: ein Unternehmen in der Tech-Industrie, ein anderes im Bereich der Unterhaltungsmedien (die der Kunst zugerechnet werden können). Was hat das nun im Detail mit seiner Philosophie zu tun?

Die beiden Pfeiler der Philosophie des Steve Jobs

Pixar und Apple scheinen zwei sehr unterschiedliche Unternehmen zu sein. In Wahrheit aber sind Pixar und Apple sehr ähnlich: Sie beiden vereinen Kunst und Technologie. Und genau diese beiden Pfeiler stellen in ihrer Interaktion zugleich die Philosophie von Steve Jobs dar. Lassen wir Steve selbst zu Wort kommen:

It’s in Apple’s DNA that technology alone is not enough — it’s technology married with liberal arts, married with the humanities, that yields us the results that make our heart sing (Hervorhebung von mir)

Oder hier, Bezug nehmend auf das iPad:

The reason that Apple is able to create products like the iPad is because we’ve always tried to be at the intersection of technology and the liberal arts (Hervorhebung von mir)

Steve Jobs spricht davon, dass Apple (und selbiges gilt für Pixar) nich nur ein bloßes Technologie-Unternehmen ist. Vielmehr kombiniert es die beiden Welten von Technologie und Kunst – ist also an der intersection, der Schnittstelle.

Diese Kombination von Technologie und Kunst manifestiert sich in Steve Jobs’ Lebensweg. Im Lichte dieser Philosophie erscheint Steve Jobs als visionärer Künstler, für den Technologie gerade nicht das finale Ziel darstellt. Vielmehr ist Technologie ein Katalysator für künstlerischen Fortschritt.

Viele sehen Steve Jobs als Tech-Visionär. Aber Steve Jobs war kein Hardware-Ingeniuer wie Steve Wozniak und er war auch kein Software-Engineer wie Bill Gates. Er war vielmehr ein Künstler mit einer Faszination für die Technologie.

Wie zeigt sich die Kunst in der Jobs’schen Philosophie

Schauen wir uns nachfolgend exemplarisch ein paar Schlaglichter aus der Karriere von Steve Jobs an, die aufzeigen, wie seine Faszination für Kunst seine technologischen Ideen beeinflusste. Die Zusammenstellung zeigt bekannte und weniger bekannte Passagen aus der Vita von Steve Jobs, die allesamt unmissverständlich seine Philosophie aufzeigen. Den Fokus habe ich insbesondere auf den künstlerischen Aspekt der Philosophie gelegt, da er in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich weniger wahrgenommen wird wie Steve Jobs’ Rolle als Visionär der Computer-Industrie.

1. Steve Jobs liebt Typographie (und hat damit das Desktop Publishing möglich gemacht)

Steve Jobs belegte am Reed College einen eher "exotischen" Kurs über Kalligraphie
Steve Jobs belegte am Reed College einen eher „exotischen“ Kurs über Kalligraphie

Es ist nicht verwunderlich, dass Apple-Computer im Corporate-Bereich nie wirklich Fuß fassen konnten. Für Kreative, das heißt, Designer, Musiker, Fotografen stellten und stellen Apple-Computer aber nach wie vor das beste Werkzeug dar. Case in point: Photoshop, das bedeutendste Bildbearbeitungsprogramm der Welt wurde zunächst für den Mac entwickelt.

Und mehr noch: Der Mac hat die Zeit des Desktop-Publishing (DTP) eingeleitet. Steve Jobs erzählt in seiner bekannten Stanford-Rede davon, wie er Typografie-Kurse am Reed College besucht hat. Dieses Interesse an der Kunst sorgte bei der Entwicklung der Apple Computer schließlich dafür, dass auf verschiedene Schriftarten wertgelegt wurde .Im Steve-Jobs-Film mit Ashton Kutcher gibt es dafür sogar eine Szene, wo Steve in einen Streit mit Entwicklern gerät, die seine Faszination für verschiedene Schriftarten nicht teilen.

Anbei ein Ausschnitt aus der viel beachteten Stanford-Rede, in der Steve Jobs seine Kalligraphie-Episode beschreibt:

2. Steve Jobs ist ein Kunstfan (und das zeigt sich)

"Der Frühling" ist neben der "Geburt der Venus" eines wegweisenden Renaissance-Kunstwerke von Botticelli
„Der Frühling“ ist neben der „Geburt der Venus“ eines wegweisenden Renaissance-Kunstwerke von Botticelli

Bei zahlreichen Präsentationen von Apple-Produkten zeigt Steve Jobs in seinen Demos bekannte Kunstwerke. So werden beispielsweise bei der Einführung des ersten Macs korinthische Säulen gezeigt. Dies ist im folgenden Video bei Minute 2:47 sichtbar:

Steve Jobs hätte auch Millionen andere Bilder zeigen können. Aber er entscheidet sich für korinthische Säulen.

Auch in seiner Zeit bei neXT lässt es sich Steve nicht nehmen, sein Kunstinteresse zu zeigen. Bei der Präsentation des nextSTEP-Computers zeigt er den David von Michelangelo sowie Botticellis »Geburt der Venus«, sichtbar bei Minute 1:29:

Ein weiterer Beleg: Steve Jobs wird in der Da-Vinci-Biographie von Isaacson als großer Verehrer von Da Vinci beschrieben:

And Steve Jobs climaxed his product launches with an image of street signs showing the intersection of the liberal arts and technology. Leonardo was his hero. “He saw beauty in both art and engineering,” Jobs said, “and his ability to combine them was what made him a genius.” (Hervorhebung von mir)

Auch hier zeigt sich Steves Faszination für Kunst und Technologie. Da Vinci ist Vorbild für Jobs, da er diese beiden Disziplinen meisterhaft zu kombinieren wusste.

Die Kuppel der "Santa Maria del Fiore" in Florenz ist die wohl beeindruckendste Kirchen-Kuppel der Welt
Die Kuppel der „Santa Maria del Fiore“ in Florenz ist die wohl beeindruckendste Kirchen-Kuppel der Welt

Es ist übrigens nicht verwunderlich, dass in Isaacsons Steve-Jobs-Biographie ausführlich dessen Italienreise beschrieben wird. Italien, ein Land das von herausragender Kunst und Architektur geprägt ist (man denke nur an die ingenieurwissenschaftliche wie künstlerische Meisterleistung der »Santa Maria del Fiore«), hat bereits bei Goethe für einem zweiten Frühling gesorgt!

3. Steve Jobs war von Design besessen (auch vom Design von Dingen, die der Endnutzer nicht sieht)

Der PowerMac G5 zeigt ein für einen Computer ungewöhnlich gut designtes Interieur. Noch heute werden die Gehäuse dieses PCs bei Moddern für nicht unerhebliche Summen gehandelt
Der PowerMac G5 zeigt ein für einen Computer ungewöhnlich gut designtes Interieur. Noch heute werden die Gehäuse dieses PCs bei Moddern für nicht unerhebliche Summen gehandelt

Steves Adoptivvater war ein Ingenieur, der Steve zeigte, wie wichtig es ist, dass auch nicht sichtbare Teile ästhetisch sind. In der Isaacson-Biographie von Steve Jobs gibt es mehrere Anekdoten, wo Steves Besessenheit für Design sichtbar wird. So verlangte er für eine Fabrik eine bestimmte Lackierung der Maschinen oder verzettelte sich mit dem Design vom Innenleben der Computer.

Der Apple Campus sieht aus wie ein Raumschiff – und ist meiner Meinung nach eines von wenigen gelungenen Beispielen von Bauwerken der kontemporären Architektur
Der Apple Campus sieht aus wie ein Raumschiff – und ist meiner Meinung nach eines von wenigen gelungenen Beispielen von Bauwerken der kontemporären Architektur

Tatsache ist: Steve Jobs’ herausragendes ästhetisches Gespür prägte die DNA sämtlicher Apple-Produkte. Es zeigt sich im übrigen auch in der Auswahl von Produkten für die alltägliche Nutzung. Steve Jobs fuhr Motorräder von BMW, Porsche-Sportwagen. Seine Waschmaschinen waren von Miele und seine Brille, war das Modell »Classic Rund« von Lunor, einer kleinen Firma aus dem Schwarzwald. Auch für die Architektur des neuen Apple Campus (dessen Eröffnung Steve nicht mehr miterlebte) wählte Steve Jobs mit Sir Norman Foster den wohl profiliertesten Architekt. Dass Steve auch eine Faszination für Architektur hatte, zeigt dieses Video, in welchem er den Entwurf für den neuen Apple Campus dem Cupertino City Council präsentiert:

Folgendes Video von der Einführung der neuen Mac-Benutzeroberfläche Aqua ist ein weiterer Beleg für Steves Aug fürs Design. Natürlich ist er nicht selbst Designer, doch er hatte maßgeblichen Einfluss auf das Design-Team bei Apple. Folgendes Zitat verdeutlicht dies:

What does a button look like? And you spent months working on a button.

Es stammt aus diesem Video, welches sehr sehenswert ist:

Aus vielen Artikeln ist bekannt, das Steve eine intensive Beziehung mit seinem Posterchild Jony Ive (Apples ehemaliger Chef-Designer) führte. Ken Kocienda, ein ehemaliger Apple Software Engineer (er hat das Keyboard des iPhone programmiert) attestiert Steve Jobs ein hohes Involvement bei der Produktentwicklung. Über seine Zeit bei Apple hat Kocienda mit »Creative Selection » ein sehr tolles Buch geschrieben.

Seine Rolle als CEO interpretierte Steve Jobs charakteristisch. Während die meisten CEOs Design und Produktentwicklung eher aus der Vogelperspektive beobachten, war Steve stets extrem involviert. Kocienda beschreibt ausführlich Apples Demokultur. Eine Demo »vor Steve« war die höchste Auszeichnung für einen Entwickler, der ein Feature implementierte.

Zusammenfassung

Steve Jobs war sicherlich eine schwierige Persönlichkeit. Als Unternehmer, der mit Apple und Pixar gleich zwei Unternehmen von Weltrang schuf, geht er dennoch in die Geschichtsbücher ein. Sein Wirken ist geprägt von einer bis dato neuen Kombination von Technologie und liberal arts. Steve Jobs war kein Programmierer, auch kein Designer. Er war ein Visionär mit einem herausragenden ästhetischen Gespür, der Technologie und Kunst auf verschiedenste Art und Weise zu kombinieren wusste.

Steve Jobs liebte verschiedene Disziplinen der Kunst, von Typografie über Werke der Renaissance bis hin zum Produktdesign. Dabei war er stets von Perfektion und einer Detailverliebtheit besessen, die bei einem CEO sehr unüblich ist. Mit Apple und Pixar konnte er seine Vision einer »intersection of technology and the liberal arts« realisieren.

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